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La Orotava am 18. Juni 2009. Es ist vier Uhr nachmittags. Noch etwa vier Stunden bis zum Beginn der Prozession. Die Männer und Frauen arbeiten konzentriert und zügig, um das Bild rechtzeitig zur Zeremonie fertig zu bekommen. Mit Hilfe großer Rahmen und Linealen aus Holz und Metall werden Flächen mit Schüsseln, kleinen Schaufeln oder auch von Hand mit Blüten „ausgemalt“.
„Corpus Christi“, in Deutschland eher bekannt als Fronleichnam (das katholische „Hochfest des Leibes und Blutes Christi“) wird in der Stadt auf Teneriffa eine Woche später als im Rest des Landes gefeiert. Dazu wird eine Strecke von über einem halben Kilometer von der Kirche Nuestra Señora de la Concepción zum Plaza del Ayuntamiento, dem Rathausplatz mit Blumenteppichen geschmückt. Wie viele Kisten an Blüten heute verbraucht wurden, vermag sicher kaum einer zu schätzen, es müssen an die hunderte sein. Der wohl krönende Abschluss hierbei ist wohl der Teppich auf dem Rathausplatz selbst. Bereits vier Wochen vor dem großen Tag wird begonnen, ein platzfüllendes Bild zu legen – nicht aus Blumen, sondern aus Vulkansand. Hier wird der inseleigene Sand des Teide verwendet. An und um den 3.718 Meter hohen Vulkan findet sich Vulkangestein und -sand in etwa 20 verschiedenen Farbtönen, so dass der Sand für den Sandteppich nicht gefärbt werden muss.
Die Tradition der Blumenteppiche zur Fronleichnam-Prozession gibt es in La Orotava seit 1847, wenn auch bei weitem noch nicht in diesem Ausmaß. Erst etwa fünfzig Jahre später wurde das erste Sandbild auf dem Rathausplatz gelegt. Zu Beginn nur unregelmäßig ist dieses Bildnis seit 1912 ein regelmäßiger Höhepunkt der Feierlichkeit. Zu Ehren der Alfombristas, der Teppichleger, wurde 1997 sogar ein Denkmal errichtet.
Noch anderthalb Stunden, bis die Prozession beginnt. Die Zeit drängt etwas, aber es wird zu schaffen sein. Andernorts werden noch die letzten Schönheitskorrektoren vorgenommen oder es wird bereits stolz fürs Foto posiert. Die Blumengemälde werden regelmäßig mit Wasser besprüht, um sie vor der warmen Nachmittagsluft und dem Wind zu schützen. Unterdessen füllt sich die üppig geschmückte Kirche zusehends für den Gottesdienst vor der Prozession.
Dann ist es soweit, allen voran die Kinder, die Mädchen in feinen weißen Kleidern und die Jungs in dunklen Anzügen, schreitet die Prozession über die Blumenteppiche von der Kirche zum Rathausplatz. Nicht weit danach wird die Monstranz getragen, ein pokalähnliches Schaugerät, mit einer Hostie in der Mitte, die den Leib Christi darstellen soll: auf einem etwa zweieinhalb Meter hohen, verzierten Podest, welches von mehreren Männern getragen wird.
Die Prozession hat unterdessen den Rathausplatz erreicht. Der Geruch von Weihrauch liegt in der Luft. Das Podest mit der Monstranz wackelt gefährlich, als es die vier Stufen auf den Platz bugsiert wird. Doch alles ist gut gesichert und schließlich steht das Podest umringt von Menschen auf dem Plaza del Ayuntamiento. Hier endet die Zeremonie mit einer Segnung durch den Bischof, nach der sich die Prozession wieder in Gang setzt, zurück zur Kirche Nuestra Señora de la Concepción, während Anwohner Blumen herabregnen lassen.
Eine Viertelstunde später ist wieder alles vorbei. Aus den einst wunderschönen Blumenteppichen kann man bestenfalls noch seltsame abstrakte Schöpfungen machen, während die Straßenreinigung das riesige Vanitasgemälde zusammenkehrt. Wenige Stunden später bereits ist der Zauber verflogen und man könnte meinen, die Blumengemälde seien nie dagewesen – bis zum nächsten Jahr.